Foto: Harald Fischer, Fraktionsvorsitzender der Bad Sodener Grünen und Kandidat auf dem Grünen Listenplatz 2 für die anstehenden Kommunalwahlen im März 2021

Ein Scheich will Bad Soden gerechter machen

„Meine jordanischen Freunde nennen mich Sheik Sajad“, erzählt der Fraktionsvorsitzende der Bad Sodener Grünen Harald Fischer mit einem stolzen Lächeln. „Sajad“ ist das arabische Wort für Fischer und den Ehrentitel „Scheich“ hat sich der gelernte Krankenpfleger mit seiner Firma Medical Work Solution verdient. „Wir vermitteln ausländische Pflegekräfte an deutsche Krankenhäuser“, erläutert der gebürtige Bad Sodener den Sinn des Unternehmens, das er zusammen mit seiner Frau und Schwester betreibt. „Die meisten unserer Pflegekräfte kommen aus Jordanien und wir sind für sie wie eine Familie.“

Neben seiner in Bad Soden ansässigen Firma ist Sheik Sajad auch bei den hiesigen Grünen aktiv. Den ersten Kontakt mit der Öko-Partei hatte er bereits vor 34 Jahren. „Ich war damals jung und wild“, erzählt Fischer mit einem amüsierten Schmunzeln. „Wir besetzten eine alte Porzellanfabrik, um dort ein Jugendzentrum aufzubauen. Als wir Unterstützung von den Grünen forderten, haben die uns vor die Tür gesetzt.“ Trotzdem habe er immer die Grünen gewählt, weil sie „das kleinste Übel“ waren.

Ein überzeugter Grüner wurde Harald Fischer erst viele Jahre später. Im Jahr 2000 gab die Stadt Bad Soden den Kindergarten in der Schubertstraße an die evangelische Kirche ab und dabei sollte einer muslimischen Kindergärtnerin gekündigt werden, weil sie konfessionell nicht in einen christlichen Kindergarten passte. „Diese Ungerechtigkeit hat mich sehr wütend gemacht“, berichtet Fischer. Soziale Gerechtigkeit sei ihm immer schon ein Herzensanliegen gewesen und auch heute noch seine kommunalpolitische Antriebsfeder. „Die Sodener Grünen haben mich und die anderen, die damals gegen den geplanten Rauswurf der Kindergärtnerin protestierten, voll unterstützt“.  Und so hat er sich schließlich überzeugen lassen, bei der Kommunalwahl im folgenden Jahr auf der grünen Liste zu kandidieren. „Wir waren nur drei Leute in der Stadtverordnetenversammlung weil wir nicht die notwendige Zahl an Bewerber/innen auf unsere Liste hatten, hätten aber fünf Sitze für das Stadtparlament gewinnen können.“ So etwas könnte den Grünen heute nicht mehr passieren. Der Sodener Ortsverein ist mittlerweile auf fast 40 Mitglieder angewachsen.

„Vor 20 Jahren waren wir Grüne in Bad Soden die Igitt-Partei, keiner wollte was mit uns zu tun haben“, sinniert Fischer. Ein CDU-Mann habe mal versucht, ihn anlässlich einer Haushaltsrede mit den Worten „Sie könnten ja noch nicht mal ein Bordell betreiben“ schlecht zu machen. Doch solche Anfeindungen haben Harald Fischer eher noch mehr angespornt. Sein Anliegen war stets, die politischen Rivalen an einen Tisch zu bringen. „Kommunalpolitik muss auch Spaß machen“, meint der grüne Scheich und erinnert sich daran, dass die Stadtverordneten früher nach den Sitzungen gemeinsam ein Bierchen trinken gingen. Diese Zeit sei aber leider vorbei, denn heute hätten die Leute weniger Zeit fürs Gesellige.

Dabei scheut der Fraktionsvorsitzende der Sodener Grünen den Konflikt nicht, wenn es um die Sache geht. Als sich die rot-grüne Bundesregierung nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 entschied, am Krieg gegen Afghanistan teilzunehmen, zahlte er aus Protest seinen Mitgliedsbeitrag nicht mehr und wäre beinahe aus der Partei ausgeschlossen worden. Parteipolitik sei eben wie Familie, das gehe nicht immer ohne Streit. Am Ende gebe es aber einen Konsens oder einen Mehrheitsbeschluss. Damit könne er als Demokrat gut leben.

Auf die Frage was er sich für Bad Soden wünsche, schweift Fischer Blick über die mit Solarpanelen bestückten Dächer vor seinem Firmenbüro. „Klimaschutz ist ein Thema, das wir in Bad Soden zu lange vernachlässigt haben. Da wäre so viel möglich, zum Beispiel ein kostenloser Stadtbus oder die Erzeugung von Solarstrom“, erklärt Fischer. Leider habe die CDU-SPD Koalition einen Antrag der Grünen zur Erstellung eines Klimaschutzkonzepts für Bad Soden rundweg abgelehnt. „Aber da lassen wir nicht locker. Früher oder später wird ein Klimakonzept kommen, weil die Leute die Folgen des Klimawandels selbst erleben“, ist Fischer überzeugt. Es gehe dabei auch um unsere Kinder und Enkel, meint der Vater von zwei erwachsenen Söhnen.

Auch wenn Bad Soden politisch ein erzkonservatives Pflaster sei, fühle er sich hier sehr wohl, ergänzt der grüne Stadtverordnete. „Man kann bequem alles zu Fuß erledigen und es gibt herrliche Grünanlagen.“ Überhaupt mache die gesamte Stadtverwaltung einen sehr guten Job, was ihm als Unternehmer gerade jetzt zu Corona-Zeiten zu Gute komme. So habe die Stadt zum Beispiel ganz unbürokratisch die Gewerbesteuer auf Eis gelegt.

Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass es selbst in einer Stadt wie Bad Soden Armut gäbe, fügt Fischer nachdenklich hinzu. Die Stadt sollte mehr Sozialwohnungen schaffen und die Kita-Gebühren für einkommensschwache Familien deutlich senken. „Ich habe ja selbst zweimal für den Bürgermeisterposten kandidiert und insbesondere mit sozialen Themen Wahlkampf gemacht“, erläutert Fischer seine Position. Das habe viel Anklang bei den Wählern gefunden. Immerhin sei er bei der vorletzten Bürgermeisterwahl mit etwa 25 Prozent der Stimmen auf Platz zwei gelandet.

Doch jetzt gehe es um die anstehenden Kommunalwahlen, fügt Fischer hinzu. Das Ziel der Grünen sei es, mindestens die zweitstärkste Partei in Bad Soden zu werden und in die Regierungsverantwortung zu kommen. In der Opposition könne man zwar einiges erreichen, aber man brauche einen sehr langen Atem. So habe es zum Beispiel elf Jahre gedauert, bis die Grünen sich mit der Forderung durchsetzen konnten, in Bad Soden Stolpersteine vor den Wohnhäusern ermordeter oder vertriebener Menschen des Naziregimes zu setzen. Ähnlich lief es mit dem Absenken der Gehwege für mehr Barrierefreiheit. „Sollte es nach der nächsten Kommunalwahl zu Koalitionsverhandlungen kommen, werden wir uns aber ganz sicher nicht billig verkaufen“, ergänzt Fischer mit einem schelmischen Lächeln und sagt zum Abschluss: „Wir sind ja nicht die SPD.“

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