Jörg Ellminger

Bad Soden und sein Geld: Neues in 2021?

Zu Bad Soden und seinem Haushalt für 2021

Jörg Ellminger, Mitglied der Fraktion B90/Grüne, zum Haushaltsansatz des Bürgermeisters für 2021

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren,

dieser Corona-Haushalt ist sicherlich kein gewöhnlicher Haushalt. Man wünscht sich geradezu, dass es so kommt, wie es da drin steht – auch, oder vor allem die Zahlen für 2022!

Der Haushalt

Vielleicht schafft es die Bundesregierung, die Insolvenzen noch bis nach der Bundestagswahl Ende nächsten Jahres zu verschleppen. Vielleicht trifft es uns aber auch schon Anfang 2021. Hier ist die Glaskugel, mit der wir und auch der Bürgermeister hantiert, nicht wirklich eindeutig. Klar ist aber, das dicke Ende kommt erst noch, mit oder ohne Impfstoff!

Die Bundesbank geht von einem Anstieg auf ca. 6000 (Finanzkrise 2009: 8000/Q ) Firmenpleiten pro Quartal in 2021 aus (Handelsblatt), da unter anderem die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung der Firmen bis Ende 2020 ausgesetzt wurde. Vor diesem Hintergrund rechnet dieser Haushalt mit einem Einbruch der Gewerbesteuer von 17%. Man kann darauf hoffen, aber wir sind doch skeptisch, dass wir so glimpflich davonkommen.
Ansonsten könnte man meinen, die Zahlen sind wie immer. Man gewöhnt sich eben an die „Zahlen des Grauens“. Ein weiterhin historischer Schuldenhöchststand – und das nicht wegen Corona – entwickelt sich zur Normalität. Dieses Problem bekommt die Koalition nicht in den Griff und wir sehen das mit Sorge.

Die neue Feuerwache

Trotzdem könnte man meinen, irgendwo in Bad Soden sprudelt eine geheime Geldquelle! Die beiden einzigen Gebäudeteile des Feuerwehrneubaus, die von selbst Geld produzieren, nämlich Solaranlage und Regenwassernutzung, werden gestrichen. Dieser Schritt ist absolut nicht nachvollziehbar und spart am falschen Ende. Gewundert haben wir uns auch, warum erst am Ende der kompletten Planungsphase der Feuerwehrwache die Lüftungsanlage für das Audimax beschlossen wird. Wir bauen eine Top-moderne Feuerwehrwache und der größte Versammlungsraum ist nicht belüftet? Diese schöne Stange Geld von ca 300.000€ hätte von Anfang an in die Kostenplanung gehört.

Die richtige und wichtige Entscheidung, die Feuerwehrwache neu zu bauen, wird den Haushalt auf Jahrzehnte belasten. Umso unverständlicher ist es mit all den Unsicherheiten, wieso im Krisenjahr die Sanierung des Rathauses bzw. der Umzug der Verwaltung in das Medico Palais geplant werden muss. Gleichzeitig zum Feuerwehrneubau! Nicht zu vergessen – die Entwicklung des Reitplatzgeländes oder des Sinai. Wenn die Grünen in der Vergangenheit nur einen klitzekleinen Fahrradweg gefordert haben, hieß es immer gleich: „Das geht nicht! Das Bauamt ist doch schon überlastet! Wir haben doch Personalmangel!“

Die anderen Bauprojekte

Bis heute gibt es keine Beleuchtung des Schulweges von Neuenhain über den Eichwald zur Albert-Einstein -Schule. Und jetzt mehrere Großprojekte gleichzeitig? Das riecht doch schwer nach Wahlkampfgetöse! Man mag zu einem möglichen Umzug ins Medico Palais stehen, wie man will und wir haben da durchaus unterschiedliche Meinungen in der Fraktion – das eigentliche Ziel, das Zusammenlegen der Verwaltung, wird nicht erreicht.
Erst in einem weiteren Schritt kann der Verwaltungsteil aus Neuenhain in einen zweiten Neu-Anbau einziehen. Wann für diesen Zeit und Geld da sein wird, weiß nicht mal mehr die Glaskugel, zumal wir die aktuelle Kostenschätzung für eine Entscheidung in diesem Ausmaß für nicht detailliert genug halten. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Was ist z.B. mit Fördermöglichkeiten durch das Land und wie soll dieses Projekt überhaupt finanziert werden? Noch mehr Schulden?

Klimawandel? Gibt’s nicht in Bad Soden…

Glasklar hingegen ist, dass der Klimawandel den Stadtsäckel und die Gesundheit der Bürger*innen mittlerweile erheblich belastet. Wie wir ALLE mittlerweile wissen, nehmen die Überschwemmungen und vor allem Dürresommer zu. Dieses Jahr hat die Überschwemmung uns mindestens 420.000€ gekostet OHNE die entstandenen Kosten der Bürger*innen. Die Dürreperioden belasten die Sodener Wälder, und durch den Borkenkäfer entstehen massive Schäden. Befallene Bäume müssen schnell gefällt und aus dem Wald geschafft werden, um eine weitere Verbreitung des Borkenkäfers zu verhindern. Das ist auch eine Folge einer seit Jahrzehnten fehlenden ökologischen oder auch naturnahen Waldwirtschaft. Die zusätzlichen Baumfällungen haben uns dieses Jahr ca. 75tausend Euro gekostet und es nicht davon auszugehen, dass es in 2021 besser wird. Die gefällten Bäume schmerzen doppelt, dass sie der Natur nicht mehr zur Verfügung stehen und gleichzeitig sind natürlich die Holzpreise durch das Überangebot völlig im Keller.

Trotz dieser klaren Warnschüsse scheinen die Regierungsparteien in Bad Soden den Ernst der Lage nicht begriffen zu haben. Der Klimawandel verhält sich wie die 7-Tage Inzidenz bei Corona, nur dass es hier 10-Jahres Inzidenz heißen müsste. So lange braucht CO2 im Durchschnitt, bis es in die klimaaktiven Zonen der Atmosphäre gelangt.

Wenn man etwas verändern muss, braucht man einen klaren Kompass wohin man will. Das wäre z.B. ein Klimaschutzkonzept, wie wir es seit Jahren fordern. Und auch personell müsste sich dies in der Stadtverwaltung widerspiegeln – zumindest eine halbe Stelle wäre sinnvoll gewesen, um den Klimaschutz in Bad Soden voran zu bringen. Aber nicht einmal dazu konnten Sie sich durchringen.

Die Verkehrspolitik

Im Juli war es dann soweit, eine Truppe von Schwachköpfen rast mit über 100 Sachen die Alleestraße entlang, verletzten eine Frau – wie durch ein Wunder – nur leicht. Wer sich im Sommer einmal an einem Freitag-, Samstag- oder Sonntagabend an der Alleestraße aufgehalten hat, dem ist schnell klar geworden, dass das hier die illegale Rennstrecke von Bad Soden ist!

Und hier muss man leider sagen, das haben sie alle schon lange gewusst und haben nichts unternommen. Was soll da eigentlich noch passieren, bis sie reagieren? Muss erst jemand tot gefahren werden? Nicht mal eine simple Blitze gibt es da. Seit Jahren fordern wir gebetsmühlenartig verkehrsberuhigte Zonen und Tempolimits. Mal wieder muss erst etwas passieren, dass reagiert wird. Ein mobiler Blitzer soll jetzt gemietet werden: den können Sie dann gleich dort stehen lassen.

Die neue Bahnhofsgestaltung

Nun auch mal zu einem angenehmeren Thema: der Busbahnhof wird umgestaltet! Darüber freuen wir uns, vor allem, dass es nicht wie bei der Bahn bis 2054 dauert, bis die Dinge in Angriff genommen werden.
Aber wir wären keine gute Opposition, hätten wir nicht auch hier etwas zu mäkeln. Ein zusammenhängendes Dach wäre teurer gewesen – ja – aber jetzt muss man wieder befürchten, bei Regen und Wind nasse Beine und Füße zu bekommen.

Der Bahnhof führt uns gleich zum nächsten Thema: der wohl am schlechtesten formulierten Vorlage dieser Wahlperioden: “Die Videoschutzanlage.” Ein Herzensprojekt des Bürgermeisters. Ich wage einmal zu behaupten, das hätte einer der wenigen Vorlagen mit einem einstimmigen Abstimmungsergebnis werden können. Selbst wir Grüne hätten uns zu einem “Ja” durchgerungen, denn das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger*innen wäre es uns Wert gewesen, und vielleicht hätte es auch die Beweislast bei den eher seltenen Straftaten erhöht. Aber nicht einmal die FDP konnte sich bei einer derart unkonkreten Vorlage zu einem “Ja” hinreißen lassen. Wir haben uns enthalten und erwarten eine Konkretisierung der Pläne und kein “Wir beschließen eine Maßnahme, machen uns aber erst hinterher Gedanken darüber wie sie aussehen soll.”

Also:

Wir mussten uns nicht lange überlegen, wie wir uns zum diesjährigen Haushalt verhalten. Wie eingangs beschrieben, sind uns die Annahmen zu optimistisch, der Schuldenstand zu hoch, und daher werden wir den Haushalt in dieser Form ablehnen.

Last but not least bedanken wir uns bei der Stadtverwaltung für die gute Zusammenarbeit.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und noch eine schöne Weihnachtszeit!

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